Die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz SL-FP zieht aus dem Besuch folgende Schlüsse
Standort: Bereits genutzte Lagen
• Auf Madrisa stehen bisher 10 bis 15 Prozent der geplanten Anlage, und schon jetzt sind die Dimensionen beachtlich. Solche umfangreichen Bauwerke greifen durch ihre Grösse und technische Erscheinung massiv in die alpine Landschaft ein, da sind sich Befürworterinnen und Skeptiker einig. Der wichtigste Schluss lautet deshalb: Freistehende PV-Anlagen gehören an Orte, die bereits bebaut oder intensiv genutzt sind.
• So können sie mit bestehenden Infrastrukturen kombiniert werden, etwa mit anderen Formen der Energieproduktion wie Stauseen oder Windturbinen, mit touristischer Infrastruktur, grösseren Alpbetrieben oder mit Anlagen der Armee. In solchen Gebieten können PV-Anlagen die Situation sogar wertvoll ergänzen – wenn ihre überlegte Gestaltung das Gebaute zu einem Ensemble zusammenführt, um ein stimmiges Ganzes zu bilden.
• Der Fokus auf bebaute oder intensiv genutzte Orte erlaubt es, im Gegenzug noch wenig beeinträchtigte alpine Landschaften zu schonen.
Architektur: Zwischen Technik und Landschaft vermitteln
• Der Kontrast zwischen den geometrisch-abstrakten, farblich homogenen PV-Anlagen und der Vielförmigkeit und Vielfarbigkeit der Landschaft ist grundsätzlich hoch. Knüpft das Bauwerk an lokale Formen an (Wald, Baumgruppen, felsiger Untergrund), wird der Kontrast kleiner. So könnten die zusammenhängenden Felder von Madrisa Solar künftig aus der Ferne betrachtet wie Waldstücke wirken und den darunter liegenden Wald fortsetzen. Weiter wird die roh belassene Stahlkonstruktion leicht anrosten und sich den natürlichen Farben vor Ort angleichen.
• Die Unterkonstruktionen (Tische) sind zwar aus Kostengründen so schlank wie möglich berechnet, aber die grossflächige Aneinanderreihung erzeugt eine hohe bauliche Dichte. In Längsrichtung entstehen enge, scheinbar endlose Raumbänder, die Querrichtung dominiert ein Wirrwarr von Stützen. Es zeigt sich: Zum Bauwerk zählen auch diese Zwischenräume in Längs- und Querrichtung ebenso wie die Ränder der Anlage, und es ist wichtig und lohnend, sie zu bearbeiten.
• Wird die Architektur einer PV-Anlage für den spezifischen Ort konzipiert und entworfen, birgt dies weitere Chancen: Wenn Architekt:innen mitdenken, kann die Anlage durchaus effizienter werden, etwa dank einer räumlich durchdachten Anordnung der Trafostationen. A propos: Diese sind in den bisherigen Projekten meist reine Zweckbauten. Durch eine gute Gestaltung, die der lokalen Bauweise nachempfunden ist, erhält die Anlage ein vertrauteres, nahbares Gesicht für die Bevölkerung. Auch ein Informationsraum oder zumindest Informationstafeln empfehlen sich.
Graue Energie
• Das Verhältnis der Unterkonstruktion aus Stahl zur Menge der Solarmodule ist bei alpinen PV-Anlagen ungünstig. Höhenlage und Witterung verlangen eine starke Statik, die nicht nur Geld, sondern auch enorme Mengen an grauer Energie und CO2 kostet. Zudem werden Solarmodule heute noch oft mit dreckigem Kohlenstrom hergestellt.
• Bei PV-Anlagen auf Dächern und Fassaden entfällt dies – die Unterkonstruktion ist schon da.
• In der weiteren Entwicklung ist es dringend, die CO2-Bilanz alpiner Anlagen weiter zu verbessern.
Stromspeicherung
• Alpine PV-Anlagen rechtfertigen sich einzig und allein wegen der Produktion von Winterstrom. Das ist angesichts des Landschaftsverbrauchs fragwürdig.
• Die Entwicklung von Speichermöglichkeiten muss vorangehen, damit auch der Sommerstrom nützt und sie ganzjährig sinnvoll sind – oder damit sie überflüssig werden, weil die Speicherung des Sommerstroms von Anlagen auf Dächern und Fassaden bei weitem ausreicht.
Mehrfachnutzung
• In einer städtischen Umgebung müsste ein derart grossflächiges Bauwerk mit weiteren Nutzungen kombiniert werden, weil der Platz knapp ist. Für die Landschaft gilt dasselbe: Auch sie ist nicht leer, sondern erfüllt zahlreiche Bedürfnisse, weshalb bauliche Nutzungen auch in der Landschaft multifunktional sein sollen.
• Es gilt zu überlegen, wie die Artenvielfalt, die Alpwirtschaft oder Tourismus durch freistehende PV-Anlagen nicht beeinträchtigt werden, sondern davon profitieren können.